agonia english v3 |
Agonia.Net | Policy | Mission | Contact | Participate | ||||
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
||
![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |||||
Article Communities Contest Essay Multimedia Personals Poetry Press Prose _QUOTE Screenplay Special | ||||||
![]() |
|
|||||
![]() |
![]()
agonia ![]()
■ Nothing sought ![]()
Romanian Spell-Checker ![]() Contact |
- - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2007-01-17 | [This text should be read in deutsch] |
1
âEines Tages passiert Esâ, hatte ichâ âunseren Vaterâ, wie Mutter ihn aus vererbter Pflicht nannte, sagen gehört. Wer glaubt jedoch seinem Vater? Und was meinte er mit âESâ? Ihn persönlich zu fragen, hatte mir der entsprechende Mut gefehlt und als wir ihn zu Grabe trugen, âunseren Vaterâ, konnte er nicht mehr antworten. ES war passiert. ES hatte ihn getroffen und er verlieĂ seine Ewigkeit. Er versank in die Erde unbedeutend, wie eine Kirsche in roter Konfituere versinkt. Sie ist da und doch nicht. Da fand ich erst den Mut und erzĂ€hlte ihm, dass ES mir auch passiert ist. Er, 'unser Vater', konnte sich nicht einmal dagengen wehren und ist seitdem der ausdauerndste Zuhörer meiner ungewöhnlichen Geschichten. So hatte ich mir eine Tote im Wasser nicht vorgestellt. Das Gesicht der Frau ist weisser als weiss. âWeisserâ kann sprachlich nicht gebraucht werden, heiĂt es. FĂŒr so ein âabsurd dekliniertes Eigenschaftswortâ hatte ich in der Vierten eine Vier bekommen. Und trotzdem ist die Tote weisser als alle Frauen, die ich je gesehen oder mit denen ich je geschlafen habe; ein geprĂŒfter Steinmetzblick wĂŒrde es âCarrara-weissâ nennen und das mit Recht. Ich, Bruce McGown, bin der einzige, der sie in der Coventry Kanalgegend gekannt hat, denk ich mir. Obwohl, wenn man die Polizisten beobachtet, wie sie an ihrem mĂŒden, schweren Körper zerren, könnte einer schon glauben, dass die sie auch gut kannten. Diese Frau, mit dem lieblichen Blick zum Himmel, nur Körper ohne HĂ€nde, da sie geschwollen, tief unterm Wasser baumeln, und furchterregend roten Lippen, kenne ich am besten von 6 Milliarden Menschen. Vor ein paar Tagen habe ich es erfahren, dass der 6-milliardste Mensch geboren wurde. Ăber diesen Menschen habe ich mich mit ihr am Abend des 10. August unterhalten. Ihre immerroten Lippen öffneten sich ohne MĂŒhe, sie hielten inne, tiefe Freude lieĂ sie noch gröĂer scheinen und unermĂŒdlich ĂŒber TrĂ€ume sprechen. Sie hatte oft von Babys getrĂ€umt. Der Morgen des 14. August schlĂ€gt mir ins Gesicht. Es kommt unerwartet auf mich zu. Die Polizei hat mich im BĂŒro angerufen. HeiĂer Kaffee ist auf meinen rechten Daumen geschwappt, als ich den Schreck unterdrĂŒcken musste. Die Brandblase juckt. Jetzt tut die ganze Hand weh, jedoch vom unaufhörlichen SchĂŒtteln der anderen. Zu viele haben sich auf meine Hand gestĂŒrzt, als sie den Polizisten sagen hörten, ich hĂ€tte sie, âdie weibliche Leicheâ, gekannt. Keiner sagt etwas. Selbst wenn, kann ich nichts hören. Sie schĂŒtteln meine Hand um die Wette, wie auf unsichtbare Befehle, eine treibende Energie sucht an diesem Morgen den Fluss heim. Zum erstenmal dass ich innerhalb von ein paar Minuten so viele HĂ€nde berĂŒhrt habe. Trauer kann ich aus ihren Gesichtsmuskeln nicht erfahren. Meine Gedanken brennen, alles dreht sich um den geschwollenen Daumen, den ich ins kĂŒhle Wasser des Kanals legen wĂŒrde. Mir fehlt der Mut, es zu tun. Da liegt eine Frau, âdas vollkommene GehĂ€use einer Liebeâ, laut einer ihrer Scherze. Der Daumen schmerzt nun auch mit mir, er tut weher als der Anblick der Frau. Davon hatte mir Vater erzĂ€hlt, es gĂ€be eine seltene Art von verkehrtem Schmerz. Im Krieg, er meinte direkt, mittendrin, passieren höllische Grausamkeiten, Bluten und rohes, sterbendes Fleisch gehören zum Soldatenalltag. Trotzdem lachen sie abends, die Soldaten, denken an Liebe und trinken Schnaps. Viel spĂ€ter, in seltenen FĂ€llen erst nach Jahren, wenn kein Schrei mehr zu hören ist, kein Blut mehr zu riechen, tut es weh, jedem einzelnen und nach Anbruch der Nacht weinen sie, denken an Tod und schlagen ihre Lieben. Das war eine Begriffsbeschreibung meine Vaterss vom verkehrten Schmerz. Seine Worte fielen wie Vieles, das von meinem Vater kam, von oben, von ganz oben herab und erst wenn meine Wunden groĂ waren, lachte er aus voller Brust, lehnte sich dabei krĂ€ftig wie nach getaner Arbeit endlich stolz zurĂŒck. Der Daumen, vermute ich, ist ein Teil meines Vater, nur so könnte der starke Schmerz in verschobener Zeit und Raum erklĂ€rt werden. Er mĂŒsste ins Wasser, der DaumenâŠ. Gott, wie wĂŒrden sich alle den Abend im Pub mit GeschwĂ€tz fĂŒllen! Sie wĂŒrden endlich aus dem Garten der ĂŒberallherrschenden Langweile entkommen. Lorraine hĂ€tte es ohne zu zögern getan, die Hand schnell ins Wasser gelegt, so dass der schwimmende Körper nichts mitbekommt und ihr wĂ€re nie einer nachtragend gewesen. Die Art wie Traditionen untergehen, kam mir in den Sinn, Gewohnheiten gebrochen werden und sehr wichtig, WER den aller ersten Hieb einer traditionsverankerten Idee verpasst, das ist wichtiger. Solche Dinge gingen mir durch den Kopf, Worte, Begriffsbeschreibungen, alte DĂŒfteââdas alles sei wichtigerâ, pochte es in meinen Ohren. Wichtiger manchmal als die Tradition selbst, denk ich mir und vergess den brennenden Daumen. Ihre Augen scheinen in unserem letzten GesprĂ€ch verankert geblieben zu sein, deutlich heller als sonst, lieb. Die Tote, L-o-r-r-a-i-n-e, wie sie mir scheinbar flĂŒchtig ihren Namen damals buchstabierte, sieht mich unaufhörlich an mit ihren wunderschönen jedoch leblosen Augen. Mut vergeht somit nicht mit dem Tod. Das ist gut zu wissen. âIrgendwie muss etwas von mir bleiben, jetzt, hier, von dir auch, Bruce, wenn es auch nur ein Stein ist, oder ein Schatten im Blick eines anderen, spielt keine Rolle, im Blick eines Menschen, eines Vogels oder einer Schnecke. Bruce, ich meine, so etwas wie eine Art Erinnerungs-DNS. Die meisten kriegen Kinder, das ist fĂŒr sie Einfachâ. Ihr âmussâ klang von Tag zu Tag herausfordernder, wie ein Teil eines Plans fĂŒr die BewĂ€ltigung der Zukunft. Ihre, meine, und letzten Endes die der Menschheit. An den ersten Tag mit ihr erinnere ich mich wie folgt: Buchstabiert hatte sie und gelacht, in einem CafĂ© in Paris, ihr Wesen hatte mir zugewunken und mich aus der mir bekannten Zeitrechnung fĂŒr Augenblicke ausgeschaltet, ich konnte nicht wie gewohnt weitergehen. Etwas KrĂ€ftiges befahl mir dieser Frau zuzuhören, wie sie die Welt in das Wort und das Wort in die Welt spielend umdrehte, so wie andere ihre Hemden. Ich, Bruce McGown, wollte die fĂŒr mich noch unbekannte Lorraine C. kennenlernen. âL-O-R-R-A-I-N-Eâ, zischte sie jeden Buchstaben auslutschend und der Kellner warf mir mitleidige Blicke zu. Seitdem buchstabiere ich, verdrehe meine Mundwinkel dabei und schere mich einen Dreck um einen Kellnerblick. Mein Leben bekam durch sie zum ersten Mal den gewissen Rahmen, einen in dem ich mich ausbreiten konnte, ohne auf irgendetwas achten zu mĂŒssen, ânur das GefĂŒhl, Bruce, spielt eine Rolle, und nur das wahre GefĂŒhl, das die Nacht gebĂ€rtâ, erklĂ€rte sie geduldig. âWie die Maler im 16. Jahrhundert sich auf riesigen Bildern nach Belieben ausbreiteten, das Thema war wichtig, sie wurden somit nach der Auswirkung des Bildes auf das GefĂŒhl des Betrachters bezahlt.â Der erste und einzige Ort, an dem die Worte meines Vaters âeines Tages passiert esâ ihre erschreckende manchmal surrealistische Bedeutung fĂŒr immer verlieren sollten. Paris hatte mich dieses eine Mal verschlungen, obwohl ich mich mit Stapeln von dringenden Akten erfolgreich dagegen gewehrt hatte. Bis Lorraine mein Leben durchwanderte. Kollegen fragten manchmal: âHi, Mr. McGowen have you seen Saint Denis?â oder âHold your eyes open on Place Pigall, ha, ha, haâ. Auch Lachen kann weh tun. Ich nickte verneinend und deutete auf den Aktenstapel. Termine retten vor VerfĂŒhrungen. Ein Buchhalterleben ist und sollte ein Buchhalterleben bleiben. ES gehört sich so und ich wollte ES auch nicht anders , mein Leben. Wie gut es tut zu zaehlen, egal was, kann nur ein Einsamer fĂŒhlen, ZĂ€hlen und Sortieren kann auch schmecken oder gut riechen. Die Kosten musste ich am Ende zum Abzeichnen geben. Paris war eine Pflicht. Die StraĂen und Kuppeln begleiteten mich, dahinter eine Welt, die der anderen, ihre Schulter von mir abgewandt. Nur dieses eine Mal ĂŒberschritt mein Wesen die unsichtbare Grenze, die Mauer, die sich in meinem Hals verknotet hatte, âobwohl korrekter KindheitsfĂŒhrungâ, wie meinen Eltern zu ihrer Beruhigung von PĂ€dagogen bestĂ€tigt wurde und ich es noch oft von Mutter, die meinen Kopf seit Jahren nicht verlassen hat, hören sollte. Nur dieses eine Mal und endlich passierte Es. Kostenlos wurde ich hinĂŒber gelassen und aufgenommen, wie einer von ihnen, KĂŒnstler, Denker, Theoretiker. Eröffnung am Centre Pompidou, im Herzen der Stadt, des neuen Hauses von einem mir damals unbekannten Bildhauer: Constantin Brancusi. Und Lorraine hatte mir diesen Namen unzĂ€hlige Male buchstabiert und die groĂen Steine gezeigt, die als ewige SĂ€ulen oder Vögel schon lĂ€ngst weltberĂŒhmt waren. Ah, Bruce, ES ist kein Zufall ,dass du damals in Paris am Museum entlang gehen musstest....hatte Lorraine mir noch vor ihrem Verschwinden erzĂ€hlt. ES ist nicht zufĂ€llig und wir reihen uns hintereinander auf seit Millionen von Jahren, Mensch wie Tier. Mein GĂŒte dachte ich mir , als sie diese Theorie mir versuchte zu erklĂ€ren, oh Gott, dann hat ja Mutter unrecht Mein gutes Benehmen, mein Schweigen nach ihrem Tod, die ZurĂŒckhaltung im Heim, das kĂŒhle GrĂŒĂen jeden Morgen nach links und rechts im Dorf, obwohl ich ganz genau weiss, das Frau Johansen kein gutes Haar an mir lassen wĂŒrde....Oh Gott, dann war das alles Einbildung und ich hatte mich einem menschlichen Befehl unterordnent. Und nun ist nichts zufĂ€llig und ich höre wieder zu und dann kann ich wieder nichst Ă€ndern. Also haben damals in meiner Kindheit meine Eltern mir die Unwahrheit gesagt...Unglaublich...Vielleicht ist das der Grund ,dass ich Zahlen liebe, ich kann sie drehen wie ich will, sie sind immer gleich und sie werden sich fĂŒr niemanden Ă€ndern. Zahlen haben etwas VertrauenswĂŒrdiges und ich merkte sie mir und seit ich Lorraine traf, waren sie ein Teil der GefĂŒhle geworden, die mich erwĂ€rmten, manchmal zerrissen, sie hielten mich fest und ich sie. FĂŒr einen wie mich waren bis an jenem Tag Symbole und Steine nur da, irgendwo hatten sie zu existieren, wie es auch einen Freitag den 13 gibt, fĂŒr mich aber unwirksam, fremd. Viel traute ich ihnen nicht zu, wichtig waren sie fĂŒr DĂ€mme am Kanal, beim Bunkerbauen und am Friedhof. Steine sind unten, zu kalt, um erwĂŒnscht zu werden. Die Kunst ist wie eine TĂŒr, wenn sie einen hinein lĂ€sst, kriegt alles von einem Augenblick auf den anderen eine eigenartige andere Dimension. Der Alltag hebt ab, die Zeit legt sich anders um das Leben. Das Gewöhnliche gebĂ€rt Konturen und spĂ€ter, manchmal, einen eigenen Geschmack. Das waren meine Gedanken, als die Polizei mich am Ufer des Kanals nach Lorraine befragte. Die Polizei wollte jedoch nichts davon wissen. âJaâ, antworte ich knapp, âsie wohnt, Entschuldigung, `wohnte` bei mir seit vier Wochenâ. Komisch, wenn du nicht tot bist, abgeholt wirst im GedrĂ€nge von lauten Sirenen, tun die meisten so, als gĂ€be es dich nicht. DarĂŒber hatte ich mich mit Lorraine in den vier Wochen auch unterhalten. Sie sprach nur am Abend gerne. SpĂ€t, am Rand der DĂ€mmerung. Die ersten GesprĂ€che handelten von unvollendeten Erfahrungen, von seltenen Berufungen und Schreiben, irgendwelchen Steinen und die Namen von KĂŒnstlern hĂ€mmerten noch lange durch meinen Kopf. Zuhören, richtig zuhören konnte ich ihr nicht. Die neue Art zu reden, die Wörter, die ich durch sie zu hören und zu verstehen lernte, klangen bedrohlich. Wozu braucht man diese fremdartigen Wörter, fast eine tridimensionale Sprache, um in ein Labyrinth hineingelassen zu werden, wo selten einer das GlĂŒck verspĂŒrt, sich selber zu ĂŒberholen? Ruhe ohne Gedankenschwermut hĂ€lt warm, dachte ich, und wollte Lorraine anfangs nur ansehen, mit dem Blick erreichen. Meine Augen brauchten diesen leichten aber entschiedenen Gang, eine innere Kreuzung schien, sich im neuen Lebensraum zu erheben. Ihre Erscheinung wurde zum Ereignis und lieĂ mich vom ersten Tag nicht mehr los. Seitdem habe ich keine kalten FĂŒĂe mehr und der Dorfarzt kann es sich nicht erklĂ€ren. Es ist in mehreren Gebieten der Erde allgemein wĂ€rmer. Vielleicht hĂ€ngt alles zusammen, meinte Mr. Max, unser Hausarzt, die Begegnung mit Lorraine, die KlimaverĂ€nderungen, die Ăberschwemmungen am Kanal und die verspĂ€teten PlĂ€ne des Rathauses die Kriegsreste, die Bunker in der Coventrygegend endlich abzubauen. Und die Sonnenfinsternis. Mein Hausarzt weiĂ mehr ĂŒber das Dorf, ĂŒber meine Familie und ĂŒber mich, als ich mir vorstellen kann oder will. âEr hatte dagestandenâ, hatte Mutter vor langer Zeit erzĂ€hlt, als ich zur Welt gekommen war, und er hatte bei mehr als der HĂ€lfte des Dorfes dagestanden. Sie meinte, er wĂ€re aufrecht und aufrichtig zugleich zu seinen Patienten immer gewesen. Er konnte nichts anderes, hĂ€tte auch nicht anders gekonnt, hatte eine Nachbarin jedesmal hinzugefĂŒgt, wenn Mr. Max irgendwie ins GesprĂ€ch kam oder er nur vom Weiten gesichtet wurde. Mr. Max war groĂ und wichtig und klein und unscheinbar zugleich, er gehörte sozusagen zur Dorfausstattung. Wenn er nicht mehr sein wird, wird sich im Dorf kein neuer Arzt niederlassen, glaubten viele zu wissen. Er hatte die einzige Bibliothek im ganzen Dorf, fĂŒr alles eine Meinung und schien die wichtigsten Tagesnews wie kein anderer zu kenne. Er war auch der erste, von dem ich hörte, dass dieser Sommer wichtig sein wĂŒrde. Die Sonnenfinsternis, meinte Mr. Max, könnte uns jene Zeitspalte anbieten, die die Menschheit nutzen sollte. An so einem Tag der himmlischen KrĂ€fte wird es leichter sein aus sich selbst auszusteigen. Viel spĂ€ter sollte ich diesen Ausdruck inhaltlich verstehen, wie vieles zu spĂ€t. Lorraine kam vorbei, ĂŒberraschend, mit einer Reisetasche an einem regnerischen Juliabend des Jahres 1999. Erwartet hatte ich sie nach einem Anruf nicht. SpĂ€ter brachte der alte Postbote noch ein paar Kartons vorbei. Er fluchte. Das schwerste, was er in diesem Dorf je geliefert hatte, murmelte er. Ein Grund seine Lederhandschuhe mal zu benutzen. Bevor er ging, gab ich ihm ein Pfund. Die kalte MĂŒnze verschwand schnell hinter seinem HandrĂŒcken. Ich glaube, er hĂ€tte es gern gehabt, wenn die unbekannte Lady mehr BĂŒcher erhalten hĂ€tte. Denn als BĂŒcher hatte sie die Lieferung an mich abgeschickt. âDiese BĂŒcher habe ich behaltenâ, gab sie kurz zu. âDie anderen legte ich in der Nacht meiner Abreise einem Verleger vor die TĂŒrâ, lachte wĂŒtend auf und fĂŒgte hinzu, âdem meine Schultern besser gefielen als meine Geschichten, und diese VĂ€terlichkeit, die brachte mich zum Kotzen. Ja, ich kann kotzen, wenn man zu gut zu mir ist. Deswegen sammele ich Steine und keine Freunde. Der Stein bleibt immer gleich, glatt und kaltâ. Die Kartons hatte keiner geöffnet. Die Zeit vernetzte uns schnell, wir sprangen ĂŒber die HĂŒrden der Worte, die wir gelernt nur nie benutzt hatten, weil wir es einfach nicht konnten. Ihr Lachen schaufelte langsam aber sicher meine Vergangenheit weg. Sie war da und blieb. Gefragt hatte ich Lorraine nie etwas. Antworten machen mir Angst. Wozu möchten die anderen etwas von einem wissen? Und wenn man es ihnen erzĂ€hlt, was dann? âLorraine blieb im Dorf, kochte Kaffee, wanderte tagsĂŒber durch den Wald und machte sich Notizen. Mit Bleistift. WeiĂ nicht worĂŒber. WeiĂ nicht wo sie geblieben sind.â Und im Kopf setzte ein rettender Nebel ein, so dass ich nicht weiter reden konnte. Die Sprache zog sich zurĂŒck und ruhte sich aus. Wenn man etwas, auch das einfachste Ereignis, niemandem, aber auch niemandem auf der Welt erzĂ€hlt, kann genau diese einfache, unausgesprochene Geschichte einen eines Tages retten, an solchen Tagen, an denen man einsam ist, wo alle alles ĂŒber einen zu wissen scheinen. Nach der letzten wundervollen Nacht, nach der halbdunklen Stille und den SpaziergĂ€ngen am Coventry Kanal dachte ich und war ĂŒberzeugt, sie beruhigt zu haben, was die âgroĂen PlĂ€ne der Menschheitâ anbelangt. Denn die machten ihr Sorgen, und in ihren Versuchen die Menschheit von sich selber zu befreien, hielt sie Ausschau nach VerbĂŒndeten. âJa, wir hatten eine engere Beziehungâ, antwortete ich. âAber ich war nicht in ihr Leben, sie war in meines eingetreten, eingedrungen, weiĂ nicht mehr genau....â wandte sich meine Stimme noch schwach dem Beamten zu. âWie bitte?â, rĂ€usperte er zurĂŒck. âWie meinen Sie das, 'Sie waren nicht in Lorraines C. Leben'? Wir benötigen die Personalien, Ihre und die der Toten. FĂŒr die Akte. Tut mir Leidâ, rĂ€umte der Polizist sachlich ein. âDas Dorf hat mein Seelenbluten nicht gestoppt, nur verlangsamt. Hörst du wie es tropft, Bruce?â, erzĂ€hlte sie noch lĂ€chelnd am Abend so gegen 23.00 Uhr und streckte die Hand in den Kanal, mir einen Tropfen ins Gesicht spritzend. Es war der 10 August. âVor drei Tagen alsoâ, schnippte mir die Uniform entgegen. Plötzlich wusste ich nicht mehr, wie lang sie weg gewesen war. Wir gingen am Abend durch die feuchtkalten GrĂ€ser den Kanal entlang. Sie hatte diese SpaziergĂ€nge eingefĂŒhrt. So, erzĂ€hlte sie, hĂ€tte sie ihre Kindheit verbracht, irgendwo im Spaziergang wĂ€re sie ganz einfach eines Tages groĂ geworden. Ihre Tante hatte es ihr beigebracht. Sie nannte es âdie Zeit begehenâ, zwischen DĂ€mmerung und Himmel dabei sein. Da kommt es auf einen zu und die Grenzen fallen. Lorraine hatte die Welt verpacken wollen, erzĂ€hlte sie. Die Begriffe der anderen umgedreht. Es gelang ihr nicht immer aufrecht zu bleiben. Und sie erklĂ€rte mich kurz nach ihrem Erscheinen im Dorf zu ihrem Begleiter, der der die Ruhe einmeiĂelt, zwischen ihr und der Welt. Den Körper haben sie langsam ans Ufer gezogen, wo er nun zugedeckt wurde. Die paar Ăbriggebliebenen flĂŒsterten der Polizei, was sie gesehen hatten. Sie sprachen schnell, begierig viel zu sagen, vor meinem Blick schienen sie sich zu fĂŒrchten. âSie können gehen.â Der Daumen fĂŒhlt sich dick an. Muss zurĂŒck in die Stadt, in die Apotheke. Da lĂ€chelt man mir zu. Morgen bestimmt auch hier nicht mehr. Am Abend setzte ich mich vor den Kamin und erschrak, als ich meine Aktenregale erblickte. Sie schienen mir auf ewig oder auch lĂ€nger nachzulauern. Lorraine war weg. Wie der Polizist es objektiv auszudrĂŒcken versuchte: âfĂŒr immerâ. Eine kranke Stille zog leise wieder ein, und nichts hielt sie auf. âSchreib dir in der Nacht sofort auf, was du trĂ€umstâ, hatte sie versucht, mir vor den AlptrĂ€umen zu helfen. âFang sie ein die UngehĂ€uer der Nacht. Geh, geh spazieren. Die Nacht ist nicht da um zu schlafen, sondern um zu trĂ€umen, so wie der Tag, um zu arbeitenâ. Das konnte ich der Polizei auch nicht erzĂ€hlen.
|
||||||||
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
|||
![]() | |||||||||
![]() |
Home of Literature, Poetry and Culture. Write and enjoy articles, essays, prose, classic poetry and contests. | ![]() | |||||||
![]() |
Reproduction of any materials without our permission is strictly prohibited.
Copyright 1999-2003. Agonia.Net
E-mail | Privacy and publication policy